Scheitern oder Wie man trotzdem schreibt

Illustration von Laura Viefhues

Black Monday 

Manchmal läuft nichts, wie man es gern hätte. Keine besondere Neuigkeit. Dennoch liegt so ein Scheitern – oder ein Fehler, eine falsche Einschätzung, ein Misserfolg, eine schlechte Nachricht – arg im Weg herum und kostet beim Schreiben (und bei allen anderen Dingen) Zeit und vor allem Kraft.

Wie tut frau am besten einen beherzten Schritt über das Scheitern hinweg und hockt nicht brütend davor im Schatten, unfähig, sich überhaupt zu bewegen?

Holen wir das kleine Scheitern mal aus dem Bällebad ab und schauen, was es uns zu sagen hat.

Alles gut!

Klar, bei allen anderen läuft es immer super. Suuuper. Alles gelingt, kein Problem, das sich nicht in null Komma nichts lösen lässt, vor allem keine Probleme, die Blessuren hinterlassen. Im Gegenteil, sie werden natürlich schwuppdiwupp zum Stoff für selbstironische oder humorvoll erzählte Geschichten.

Objektiv wissen wir, das stimmt so nicht. Aber objektiv sind wir eben nur nach dem zweiten Kaffee von Montagvormittag bis Montagmittag und zu allen anderen Zeiten (besonders gegen 3 Uhr nachts, wenn Probleme und Nachdenklichkeiten gern zu Besuch kommen) führen wir eher die Worte Unfähigkeit und Versagen im Mund, gern begleitet von „geht nicht“, „immer gewusst“, „lass es lieber“.

Vernunft auf Urlaub

Das Dumme: Mit Vernunft und Logik wird es keinen Deut besser. Auch heute, in einer aufgeklärten Gesprächskultur, in der Scheitern als Ausgangspunkt für wenigstens Bilanz und bestenfalls weiteres Lernen angesehen wird, wo wahrscheinlich niemand mehr wegen eines Fehlers von jemandem zusammengebrüllt wird, wo die mediale Öffentlichkeit uns die Misserfolge anderer, berühmterer Menschen genüsslich … ähm … rein informativ vor Augen führt – was macht so ein Scheitern da schon?

Blaue Flecke

Es macht etwas mit uns. Es zerkratzt unser Selbstbild. Und es ist schlicht nicht vorgesehen. Der Pfeil geht nach vorn, die Richtung ist aufwärts, die Erzählung eine positive. Und selbst wenn wir über das Scheitern sprechen, was wir zum Glück dürfen und auch immer häufiger tun, dann mit Abstand und dann ist es ein lehrreiches Scheitern, ein Am-Ende-doch-noch-gut-Scheitern. Aus Fehlern, besonders den eigenen, soll man bekanntlich lernen.

Alle Neune

Und dann ist er da. Der Fehler. Das Scheitern. Und wir bemühen uns sehr, etwas daraus zu lernen, aber in uns ruft es beharrlich : „Mach so einen Blödsinn nie wieder!“ – „Wie kann man nur so doof sein.“ – „O Gott, o Gott, o Gott!“ – „Hab ich ja gleich gewusst.“ – „War ja klar, dass das nichts wird.“ – „…“

Scheitern ist nicht gleich scheitern, ein Fehler nicht wie der andere. Einige gibt es, die empfinden nur wir selbst als solche, andere können richtig was kosten. Geld, ja, aber auch Reputation, Standing, Selbstachtung.

Hereinspaziert

Mit einem Mal sitzen der Zweifel und die Sicherheit, dass es alle anderen besser können, ganz nah hinter der Gardine, die sonst das sanfte Lüftchen des Erfolgs bewegt. Dabei sollten sie im hintersten Winkel unserer Persönlichkeit gut verschlossen vor sich hin modern. Sie bekommen Zähne und Klauen. Krallen sich fest und lassen sich nicht abschütteln.

Und dann schnauft auch noch dieser eklige Rechtfertigungsmops heran und wir sehen ihm entsetzt dabei zu, wie er Männchen macht. Verfallen in Schockstarre und vergessen vor lauter Panik beinahe das Atmen und unsere eigene Biografie. Fragezeichen überall. Erfolge nie gehabt. Aber ja, hereinspaziert, bitte durchtreten, hinter Ihnen wollen auch noch welche: der Vorwurf, das Selbstmitleid, die Existenzangst.

Läuft nicht grundsätzlich was falsch? Ist das nur der Anfang? Bricht jetzt alles zusammen? War man sowieso zu ambitioniert/zu vermessen/ist alles unverdient/…? Kommen jetzt endlich die, auf die man schon lange wartet, diejenigen, die wissen, was man alles nicht kann und nun den Scheinwerfer drauf richten?

Mit sich selbst leiden

Klar, immer rein in die Suhle. Hat gar keinen Sinn, sich davor zu drücken. Dauert sonst nur länger. Bewerfen wir uns mit Schlamm und halten wir diese Zeit einfach aus. Was anderes klappt eh nicht. Bitte aber ein Auge wenigstens halb geöffnet halten und nach dem Licht am Ende des Tunnels schielen.

Nicht über Los

Ein paar Abkürzungen sind natürlich erlaubt. In passender Gesellschaft heulen, jammern und wüten zum Beispiel. Natürlich fallen in diesem Moment geäußerte Bestätigung, etwa unserer Fähigkeiten oder Talente, das Anrufen vergangener Erfolge oder ein plattitüdenhaftes „Kopf hoch“ – „Wird schon wieder“ – „Da wächst Gras drüber“ auf kargen Boden, aber wie beim Streusamen bleibt doch was hängen. So funktionieren wir Menschen nun mal.

Tacheles

Wenn man aus dem Gröbsten raus ist, empfiehlt sich eine Bestandsaufnahme: Wie viel Porzellan ist zerschlagen? Was wird jetzt schlimmstenfalls passieren? Wie viel Anteil habe ich objektiv daran, was passiert ist? (Hier kommt‘s verdammt aufs Maßhalten an: Sich das Ganze schönzulügen, bringt genauso wenig, wie sich zu kasteien.) Was kann frau retten und wenn frau es nicht selbst retten kann, wer dann? (Ja, ja: Fehler zugeben und um Hilfe bitten und die dann auch annehmen. Keine hat gesagt, es sei leicht.) Möglicherweise möchte man sich dann gleich noch ein bisschen suhlen.

To-do

Aber dann raus da. Und ins Tun kommen. Sich bewegen, im Kopf und mit den Beinen. Dinge abarbeiten, um nicht noch tiefer in die Ich-bin-zu-nichts-nütze-Spirale zu trudeln. Und irgendwann wird die Luft wieder leichter zu atmen. Irgendwann entspannen sich die Schultern wieder. Irgendwann kann man wieder von sich sagen: Ich kann was. Und zwar gut.

Für Fortgeschrittene

Im dümmsten Fall rauschen wir das nächste Mal wieder voll rein. Denn, Überraschung: Es wird ein nächstes Mal geben. Was wir in der Hand haben, ist, wie tief wir reinrauschen.

Also neutral-kritische Selbstbefragung: Gibt es ein Muster, das wir wiederholen? Gibt es einen Mangel an Fähigkeiten? Was kann man an äußeren Umständen ändern, damit man Vermeidbares auch wirklich vermeidet? Wenn alles halb so wild war, wo in uns sitzt die matschige Stelle, weshalb wir uns Dinge so zu Herzen nehmen? (Gerade gesehen: „Das Kind in dir muss Heimat finden“ ist noch immer/wieder auf der BookTok-Bestenliste ist. Wird einen Grund haben.)

Relativitätstheorie

Ein Fehler ist ein Fehler. Gescheitert ist gescheitert. Aber manche Fehler sind für die- und denjenigen, die oder der ihn macht, ein Weltuntergang, weil noch x äußere und innere Umstände dazukommen. Fragt man zwei andere Personen, erscheint der einen der Fehler als lässlich, der anderen vielleicht als noch größere Katastrophe.

Auch Fehler und das Scheitern haben einen Kontext. Manch einer scheitert und geht tatsächlich gestärkt daraus hervor. Es kann etwas Heilsames haben, die Situation, vor der man sich immer gefürchtet hat, tatsächlich zu erleben. Und festzustellen, dass man sie überleben kann.

Was hat das mit Schreiben zu tun?

Als angehende Autorin oder angehender Autor nimmt man das Autor:innendasein der anderen als Erfolgsgeschichte wahr, denn wie viele Autor:innen kennen wir, die schreiben und schreiben und schreibend scheitern? Im Gegenzug dazu kennen wir zig Autor:innen, ach was Hunderte, die es geschafft haben, denn von ihnen gibt es EIN BUCH, ein konkretes, echtes Buch, das als Objekt in der Welt steht und von allen gesehen, gekauft, besprochen, gemocht werden kann.

Nichts anderes kann also das Ziel des Schreibens sein: den eigenen Text zu veröffentlichen und als Autor:innen von eben dieser Öffentlichkeit bestätigt zu werden. (Und selbstverständlich auf der Bestsellerliste zu landen, denn sonst gilt es ja nicht.)

Erwartung, du altes Miststück

Zuerst scheitern wir an uns selbst. In unserem Kopf sind wir die fantasievollste und produktivste Autor:in einer Geschichte mit uns als Protagonist:in. Natürlich können wir dort erfolgreiche Autor:in sein, wer sollte uns denn auch daran hindern? Schließlich sind wir absolut in der Lage, einen genialen Text zu verfassen, der sofort nach Veröffentlichung beim renommiertesten Verlag des Landes zum Lieblingsbuch einfach aller wird, weltweiter Lizenzverkauf, anschließende Verfilmung mit Starbesetzung inklusive.

Geschenkt, dass so ein Denken die Realität von nach außen mauernden Verlagen und mit Autorinnen bereits bestens bedienten Literaturagenturen nicht ändern kann. Sein Gegenteil aber auch nicht. Das kann jedoch mit ziemlicher Sicherheit verhindern, dass wir überhaupt je einen Text zu Ende schreiben.

Stehauf-Frauchen

Schreiben ist permanentes Scheitern. Es ist Nachdenken und Verwerfen, es ist Aufschreiben und Löschen, es ist Lesen und Revisionieren und Korrigieren und Zweifeln und manchmal eben auch endgültig abbrechen. All das geht immer jedem sichtbaren Erfolg – jedem Buch auf dem Markt – voraus. Wie viele Momente des Scheiterns am Stoff, an der Sprache, an der Form, an der Zeit, an den Umständen, an den Finanzen, an sich selbst es dabei gegeben hat, wissen wir nicht. 

Die Perspektive macht‘s

Und jetzt schließt sich hoffentlich der Kreis dieses Texts: Wir wissen, dass Scheitern beim Schreiben dazugehört. Dass es uns unvermeidlich erwarten wird. Woran wir scheitern, ist von Text zu Text und von Autor zu Autorin verschieden. Selten ist es ein letztgültiges Scheitern.

Und auch wenn es sie gibt, die Fehler und die Momente, die ohne Wenn und Aber schmerzhaftes und unmissverständliches Fehlgehen bedeuten, ist das beim Schreiben selten der Fall. Im Gegenteil, man kauft es mit. Es ist also keine Option, dem Scheitern ausweichen zu wollen, sondern wir wollen Strategien entwickeln, um buchstäblich produktiv damit umgehen zu lernen.

Erste-Hilfe-Koffer

Im Zweifel ein Buch. Viele berufene Menschen haben sich in Büchern dem Schreiben gewidmet. Liegt nahe, sich dort Rat zu holen, wenn man mit dem eigenen Schreiben gerade nicht vorankommt.

Die Klassiker sind Sol Steins „Über das Schreiben“ und Stephen Kings „Das Leben und das Schreiben“. Näher am szenischen und filmischen Schreiben und für diejenigen, die klare Handlungsanweisungen bevorzugen, ist „Save the Cat writes a Novel“ von Jessica Brody (bisher noch nicht auf Deutsch). Diesem Schreibratgeber zugrunde liegt eine Methode, die Blake Snyder einmal für Drehbuchschreiber erdacht hat.

Um überhaupt ins Schreiben und in eine Schreibroutine zu kommen, empfiehlt sich Doris Dörries „Leben, schreiben, atmen“ und bei Weitem nicht nur für einen neugierigen Blick auf seinen Schreibtisch lohnt sich „Die Geschichten in uns“ von Benedict Wells. Der ist nämlich auch schon das ein oder andere Mal gescheitert.

Notaufnahme

Sollte es doch mehr als ein Knick im Selbstvertrauen sein, dann ist es Zeit für die Feuerwehr. Klar, wenn Scheitern zum Job gehört, gibt es Menschen, die wissen, was man dann tun kann.

(Freie) Lektor:innen zum Beispiel, denen man seinen Text anvertrauen kann, um zu schauen, wo man damit steht. Schreib-Coaches, die gezielt und mit viel Erfahrung an die Problemstellen am Text oder aber an der eigenen Einstellung zum Schreiben herangehen.

Bevor man also mit aller Macht versucht, am Scheitern vorbeizuschreiben, oder verbissen und zunehmend verzweifelt aus dem eigenen Schreibtreibsand wieder herausfinden will, investiert man die Energie besser in professionelle Hilfe. Meine ich.

Was hilft Dir, wenn es gerade nicht gut läuft? Wie kommst Du aus einem Tief wieder raus? Schreib mir gern!

 

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