To-do-Listen. Eine Liebeserklärung

Wasserglas mit Strohhalm

Ich soll Texte schreiben, sagt meine Webdesignerin, für SEO-Reichweite. Ich soll Atemübungen machen und den Beckenboden trainieren, sagt meine Yogalehrerin. Ich soll Zähne putzen, am besten zwei Mal am Tag, dazu Zahnseide benutzen und Mundspülung, sagt meine Zahnärztin. Ich soll sie anrufen, sagt meine Mutter. Ich soll ein Manuskript prüfen, sagt eine Kollegin. Ich soll einen Text lektorieren, sagt eine Kundin. Ich soll ein Marmeladenbrot schmieren, einen Zopf flechten und eine Autoschlange bauen, sagen meine Kinder. Ich soll mit ihm ausgehen, sagt der beste Mann. Ich soll joggen gehen, sagt die Puste, wenn ich oben an der Treppe ankomme. Ich soll ein Expose verfassen, sagt meine Auftraggeberin. Ich soll mir keine Sorgen machen, sagen alle. Ich soll mich gesünder ernähren, sagt das Internet. Ich soll weniger Kaffee trinken, sagt mein Herzschlag. Ich soll mal einen Roman schreiben, sagt eine Bekannte. Ich soll ein Seminar leiten, sagt der Termin in meinem Kalender. Ich soll mein Fahrrad reparieren, sagt die Bremse. Ich soll Abzählreime und Puzzle mit meiner Tochter machen, sagt der Kinderarzt. Ich soll mich um mein Hashimoto kümmern, sagt meine Schwester. Ich soll ein Layoutkonzept schreiben, sagt die Herstellerin. Ich soll mit dem Kind einen Text lesen und ihm dazu Fragen stellen, sagt die Lehrerin. Außerdem soll ich ihr Hygieneartikel für die Schule mitgeben, Texte und Bilder fürs Musikprojekt ausdrucken und sie nächste Woche wieder zum Opernprojekt begleiten. Ich soll den Moment nie mehr vergessen, sagt die Hand meines Babys, die mir übers Gesicht streicht. Ich soll nicht wahllos Dateien löschen, sagt der IT-Experte, kopfschüttelnd. Ich soll mir drei Lieblingsgerüche ausdenken, sagt der Rhetoriktrainer. Ich soll erst einmal Deutsch lernen, hat ein Übersetzer mal gesagt. Ich soll eine Präsentation halten, sagt der Verleger, die wachrüttelt und trotzdem lustig ist. Ich soll mit ihr anstoßen, sagt meine Freundin. Ich soll mehr lesen, sagt mein Bücherstapel. Ich soll mehr lernen, sagt mein Minderwertigkeitskomplex. Ich soll ein Geschenk besorgen, sagt eine Kollegin. Ich soll einen Satzlauf kontrollieren, sagt die Herstellerin. Ich soll mich mal wieder melden, sagt eine alte Freundin. Ich soll zehn Stichworte aufschreiben, welchen content ich mir vorstelle, sagt die Social Media Managerin. Ich soll es noch mal machen, sagt meine Tochter, und noch mal und noch mal. Ich soll mich hineinlegen, sagt die Hängematte. Ich soll den Kürbisstampf probieren, sagt der beste Mann. Ich soll meinen Speicherplatz vergrößern, sagt mein E-Mail-Programm. Ich sollte ihn kennen, sagt das selbstbewusste Gesicht des Mannes, an dem ich auf einer Party vorübergehe. Ich sollte das öfter machen, sagt mein Lächeln, als ich nachts mit dem Fahrrad ohne zu bremsen einen Berg hinunterschieße. Ich soll unbedingt eine Veranstaltung besuchen, sagen alle, die hingehen. Ich soll konzentrierter arbeiten, sagt mein schlechtes Gewissen. Ich soll mal schauen, sagt mein Sohn. Ich soll mich interessieren, sagen die Medien. Ich soll den Termin bestätigen, sagt eine Kundin. Ich soll auf mein Herz hören, sagt die Frauenärztin. Ich soll meine Kinder mit Liebe begleiten, sagt die Babysitterin, und dass Angst das Gegenteil von Liebe sei. Ich soll die Wollhose endlich versenden, sagt die Vinted-Käuferin. Ich soll nicht lügen, sagt die Bibel. Ich soll bescheiden sein, sagt die Erziehung, und nicht mehr wollen, als mir zusteht. Ich soll die private Vorsorge an erste Stelle setzen, sagt der Finanzwirt. Ich soll die letzten Sommertage genießen, sagt der Wetterbericht. Ich soll meinen Stolz runterschlucken, hat mein Vater mal gesagt. Ich soll mir ruhig Zeit lassen, sagt ein Kunde, und meint das Gegenteil. Ich soll nicht auf dem Gehweg fahren, sagt ein wütender Passant. Ich soll den ausstehenden Krankenkassenbeitrag aus 2021 begleichen, sagt die Krankenkasse. Ich soll E-Mails schneller beantworten, sagt eine Seminarteilnehmerin. Ich soll vor allem authentisch in der Schulbewerbung sein, sagt eine Lehrerin. Ich soll mich selbst nicht vergessen, sagt der Achtsamkeitsratgeber. Ich soll die Zeit mit den Kindern genießen, sagen alle. Ich soll mich in zwei Tagen zurückmelden, sagt eine Autorin. Ich soll den Gutschein einlösen, sagt eine E-Mail. Ich soll pünktlich am Flughafen sein, sagt die Fluggesellschaft. Ich soll die Steuerbelege einreichen, sagt meine Steuerberaterin, sonst. Ich soll Gluten weglassen, sagt die Ernährungsberaterin, das helfe bei vielem. Ich soll das Kinderzimmer umbauen, sagt meine Vernunft. Ich soll mehr Obst essen, sagt mein Vitaminhaushalt. Ich soll mehr Zeitung lesen, sagt mein Schweigen, wenn sich um mich herum alle unterhalten. Ich soll jetzt wirklich mal Urlaub machen, sagt die Programmleitung. Ich soll ein Buch vorlesen, drei Kindern meinen Körper gleichberechtigt zum Kuscheln zur Verfügung stellen, ich soll ihm noch eine Milch machen, sagt mein Sohn. Ich soll nicht einschlafen, sagt die To-do-Liste. Ich soll einschlafen, sagt der Kopfschmerz in meiner linken Schläfe. Ich soll mir einen neuen Titel überlegen, sagt eine E-Mail. Ich soll ihr die Rechnung schicken, sagt eine Kundin. Ich soll genug Wasser trinken, sagt das leere Glas auf meinem Schreibtisch. Ich soll einen Artikel für den Blog schreiben, sagt der Nachbar. Ich soll bei Ebay nach Möbeln für den Garten suchen, sagt die Hausgemeinschaft. Ich soll es für mich behalten, sagt meine Gesprächspartnerin. Ich soll ihn anschauen, sagt der Himmel. Ich soll ihr einen Zoom-link schicken fürs Kennenlerngespräch, sagt eine Kundin. Ich soll meine Stärken in den Vordergrund stellen, sagt die Coachin mit einem Lächeln. Ich habe keine, sage ich an einem besonders schlechten Tag. Ich soll so weitermachen, genau so, sagt eine WhatsApp. Ich soll mich nicht so wichtig nehmen, sagt der Zweifel. Ich soll meinen Arbeitsplatz ergonomisch einrichten, sagt mein Rücken. Ich soll Socken in Größe 34 kaufen, sagt meine Tochter, in blau und grün, bitteschön. Ich soll mich am Klimastreik beteiligen, sagt ein Aufkleber. Ich soll 33,87 Euro bezahlen, sagt der Zoll. Ich möchte dankbar sein, sagt mein Gefühl. Ich soll aufräumen, sagt mein Fuß, als ich nachts in ein herumliegendes Plastiktier trete. Ich soll einen Verlag für ihn finden, sagt ein Autor. Ich soll Wechselsachen mitgeben, sagt die Kita, für jedes Wetter und auch Gummistiefel. Ich soll den Blick nicht abwenden, sagt das Meer. Ich soll aufs Land ziehen, sagt mein Traum. Ich soll mich an kleinen Dingen freuen, sagt der Yogiteebeutel. Ich soll 2 für 1 kaufen, sagt die Werbung. Ich soll meine Haare mit ILP entfernen, sagt Instagram. Ich soll lieber keine Brotdosen mehr machen, sagt mein großes Kind. Ich soll meine Unterlagen ordnen, sagt der überquellende Schrank. Ich soll betroffen sein, sagen die Nachrichten. Ich soll meine Kinder nicht barfuß durch die Stadt laufen lassen, sagt ein tadelnder Blick. Ich soll Aminosäuren zu mir nehmen, sagt die Forschung. Ich soll streicheln, sagen meine Hände, wenn sie die warme Haut meiner Kinder spüren. Ich soll das Lektorat beenden, sagt der blinkende Cursor im Word-Dokument. Ich soll meine Sendung abholen, sagt DHL. Ich soll zwischendrin mal Ruhe geben, sagt mein Herz. Ich soll zu ihm kommen, sagt der beste Mann. Und da liege ich jetzt.

 

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Gretchenfrage, die zweite: Kann man schreiben lernen?